Das Komitee

Notizen

Für die Bildung eines Komitees für eine Arbeiterpartei[1]

Eine Politik für Arbeit und eine sozial gerechte Gesellschaft

Wir legen Notizen vor, weil wir davon ausgehen, dass aus der Diskussion um dieses Papier weitere Forderungen für Arbeiterpolitik, Grundlagen für eine Arbeiterpartei von den Kolleginnen und Kollegen selber entwickelt werden. Die Notizen sollen ein Anstoß für diese Überlegungen und Entwicklungen sein. Sie können demnach nicht als abgeschlossenes »Œuvre« betrachtet werden. Sie dienen der Weiterentwicklung, angereichert durch die offene Diskussion all derer, die sich für die Schaffung einer authentischen Arbeiterpartei engagieren und dazu ihre Beiträge, Ergänzungen etc. einbringen sollen.

»Wir«, das sind Mitglieder verschiedener politischer Strömungen der Arbeiterbewegung, Mitglieder und ehemalige Mitglieder der SPD und/oder der Partei »Die Linke«, Mitglieder weiterer linker Parteien, der Internationalistischen Sozialistischen Gruppe (IV. Internationale, OK) sowie verschiedener Einzelgewerkschaften im DGB.

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Wir halten die Bildung eines Komitees für eine Arbeiterpartei aus einer Vielzahl von Gründen für notwendig. Der naheliegendste Grund ist nach unserer Einschätzung, dass die Werktätigen über keine eigene Stimme verfügen, die allein ihren Interessen und der Durchsetzung ihrer Forderungen verpflichtet ist. Die Führungen der Organisationen, die erklären sich auf die Arbeiterbewegung zu berufen, sind eingebunden in den »sozialen Dialog«, dessen Ergebnisse kaum einem Kompromiss entsprechen können, weil sie zustande kommen durch die Kompromittierung derer, die vorgeben im Namen der arbeitenden Bevölkerung und ebenso der Jugend zu handeln. Wir sehen, wie sie integriert sind in den Rahmen des »freien und unverfälschten Wettbewerbs« des Binnenmarktes der Europäischen Union, die in den Mitgliedsstaaten seit über 30 Jahren eine Welle der Deregulierung und Privatisierung entfesselt hat – unabhängig davon, welcher Couleur die jeweilige Regierung war, wie wir am Handeln der Regierungen Kohl oder der Agendapolitik Schröders und der ihm folgenden Regierungen Merkel in Deutschland durch die Politik der Umverteilung von unten nach oben verschärft gesehen haben. Infolge dieser Politik wird der »Löwenanteil« des von den Werktätigen geschaffenen gesellschaftlichen Reichtums von einer kleinen Zahl von Kapitalisten eingestrichen. Der breiten Masse – egal ob Arbeiter, Angestellte, Beamte, Arbeitslose oder Rentner – geht es immer schlechter, viele von ihnen litten schon vor der Pandemie echte Not. Getrieben von dieser seit Jahrzehnten betriebenen Politik wurden soziale Mindeststandards in der Arbeit, bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Pflege und im Alter verschlechtert. Die Opfer dieser Politik, Beschäftigte mit geringen Einkommen, Erwerbslose, Alleinerziehende und deren Kinder, ältere Menschen sollen weiter die Last auch unter der zukünftigen Politik der in den Parlamenten vertretenen Parteien tragen.

Der Kapitalismus, bestimmt von den Interessen derer, die über die Produktionsmittel verfügen, bildet die Grundlage dieser Politik.

Dies bedeutet: Privateigentum, Konkurrenz und die Gesetze des Marktes bestimmen die für uns gesellschaftlich wichtigen Lebensbereiche. Dafür werden Errungenschaften, die die Arbeiterbewegung nach dem Krieg – in Ost und West! – hat durchsetzen können, geschliffen und geopfert.

Für die Führungen der Organisationen, die sich auf die Arbeiterbewegung berufen, bildet das System des Privateigentums an den Produktionsmitteln, der Kapitalismus, einen unüberwindbaren Horizont.

Wir sind parteiisch! Wir sind auf der Seite aller, die durch eigene Arbeit ihren Lebensunterhalt abzusichern versuchen, und auf der Seite der Schwachen, Armen und Ausgegrenzten. Ihre Interessen wollen wir vertreten, weil es unsere Interessen sind.

Das setzt voraus, dass wir jede Errungenschaft (Krankenversicherung, Rentenversicherung, Tarifvertrag usw. usf.) verteidigen und da, wo sie beschnitten und verstümmelt worden sind, dafür kämpfen, sie wieder zurückzuholen (Schluss mit der Aufhebung der Parität in der Versicherung, Schluss mit den Rentenkürzungen, Verbot der Tarifflucht usw. usf.). Wir sind überzeugt: Nur wer »alte« Errungenschaften verteidigen kann, wird in der Lage sein, neue zu erobern! Wir wollen eine soziale, demokratische, friedliche und ökologisch verträgliche Zukunft für alle erreichen.

Wir sehen den Platz einer wirklich unabhängigen Arbeiterpartei im Kampf für den Sozialismus, für die Demokratie und die internationale Solidarität der Arbeiterbewegung und die Arbeiterinternationale.

Da, wo es möglich ist und geeignete Kandidatinnen und Kandidaten bereit sind, wollen wir zu Wahlen unabhängig antreten. Da, wo sozialdemokratische oder Kandidatinnen und Kandidaten der Partei »Die Linke« antreten wollen auf Basis von Arbeiterpolitik, für die Verteidigung der Errungenschaften und die Rücknahme der Antireformen und allein im Interesse derjenigen kandidieren wollen, die durch ihre eigene Arbeit ihren Lebensunterhalt absichern müssen, werden wir sie unterstützen.

Ein Programm wollen wir mit den Betroffenen selbst entwickeln statt in Zirkeln hinter verschlossenen Türen. Demokratie ist die Alternative. Mit ihr ist es gegenwärtig sehr schlecht bestellt. Die Kolleginnen und Kollegen, die Mitglieder der Parteien sind bei der Suche nach Lösungen für die brennenden Gegenwartsfragen ausgeschlossen, wie zum Beispiel der Umgang mit der Pandemie zeigt. Die Vorschläge für die Lockerungen der Einschränkungen oder ihre Verschärfung werden in »Gipfeln« der Kanzlerin und der Ministerpräsident/innen debattiert und beschlossen und verkündet.

Eine Frage erscheint uns von besonderer Bedeutung: Haben wir es mit einer Krise infolge der Pandemie zu tun, eine Position, die tagtäglich die Nachrichten beherrscht? Oder erleben wir eine sich vertiefende Krise des Kapitalismus?

Warum werden die Abermilliarden, die EU und Bundestag verabschiedet haben, nicht für den Schutz vor Entlassungen der Werktätigen, für ihre und die Rettung der Jugend eingesetzt?

Die »westliche Welt« hat im vergangenen Jahr einen Schuldenstand erreicht, der seit dem Ende des II. Weltkrieges niemals so hoch war. Nach Angaben des Institute of International Finance (IIF), des Zusammenschlusses von rund 450 Banken, Fonds etc. in 70 Ländern, haben die weltweiten Schulden 281 Billionen Dollar erreicht. Dies entspricht über 355 % des Welt-BIP. In den Industriestaaten stieg die Verschuldung im 3. Quartal 2020 sogar auf über 432 % des BIP – ein Anstieg um 50 %-Punkte seit 2019. Hauptschuldner sind die USA.

Zugleich weist die ILO daraufhin, dass infolge der Krise die Einkommen der abhängig Beschäftigten um 3,5 Billionen Dollar gesunken sind.

Kommunen, Landesregierungen, die Große Koalition und die EU-Kommission sowie die EZB machen unmissverständlich klar, dass die Abermilliarden, die aufgrund der »Rettungsschirme« an Banken und Konzerne geflossen sind, zurückgezahlt werden müssen. Innerhalb der kommenden 10 Jahre drohen massive Sparprogramme im Rahmen der Schuldenbremse. Und die Schuldenbremse sowie die »Maastricht-Kriterien« bleiben unverändert in Kraft.

So fordert z.B. der rot-rot-grüne Senat in Berlin in seiner Finanzplanung 2020 – 2024 (vom 22.9.2020) eine »Vollbremsung in 2022« mit Personalabbau, umfassenden Reduzierungen der Ausgaben und Investitionen. Frau Lagarde Präsidentin der EZB macht am 7.2.2021 (Le Journal du Dimanche) erneut deutlich, dass ein Schuldenerlass „undenkbar“ ist. „Er würde gegen den EU-Vertrag verstoßen“. Sie betont: „Alle Länder des Euroraums werden aus dieser Krise mit hohen Schulden herauskommen. Es besteht kein Zweifel daran, dass sie es schaffen werden, diese Schulden zurückzuzahlen.“ Und ebenso unzweifelhaft ist für sie, dass die Kreditvergabe der Banken bestimmt ist von „Wachstum, Wettbewerb und Innovation (…) An diesem Punkt wird die natürliche Auswahl der Unternehmen stattfinden.“

EZB und in ihrem Gefolge die EU-Kommission und die sie tragenden Regierungen setzen den Kurs des Kaputtsparens fort. Der Bankrott dieses Systems des Privateigentums an den Produktionsmitteln wird auf die Völker weltweit abgewälzt. Bereits seit Jahren geplagt von Betriebsschließungen, Arbeitslosigkeit, Lohnverlusten und zunehmender Armut (in den zurückliegenden 30 Jahren war die Armut in Deutschland nie höher als heute. 13,2 Millionen sind arm. Betroffen sind Erwerbslose, Alleinerziehende, kinderreiche Familien, Geringqualifizierte, Migrant/innen…, 30 Prozent der Armen stellen Rentner.) kommen jetzt die psychologischen, wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Folgen der Pandemie hinzu. Mit Lockdown und Ausgangssperren, sollen erneut die Werktätigen und junge Menschen für diesen Kurs der EU-Institutionen und Regierungen bezahlen. Allerdings: Die »Wirtschaft« bleibt außen vor.

Wir leben in einer sehr reichen Gesellschaft, und dieser Reichtum wächst ständig.

Zugleich ist diese Gesellschaft zunehmend von wachsender Ungleichheit der Einkommen und insbesondere der Vermögen gekennzeichnet. Doch Jahr für Jahr werden Güter und Dienstleitungen durch die Arbeit der Werktätigen vermehrt, neue Produkte entwickelt und Technologien verbessert. Die Grundlagen für ein besseres Leben für alle, höhere Löhne, verkürzte Arbeitszeit und eine verbesserte soziale Sicherung und Zeit für die persönliche Entfaltung scheinen gegeben. Aber wir erleben – wie bei allen bisherigen technischen und wissenschaftlichen Fortschritten -, dass sie nicht einer gesellschaftlich angemessenen Form der Entwicklung der Produktivkräfte dienen, sondern ausschließlich den Profitinteressen einer kleinen Minderheit unterliegen. Deren Interessen sind nicht vereinbar mit verkürzter Arbeitszeit, Lohnsteigerungen, funktionierenden ausreichenden öffentlichen Einrichtungen und Dienstleistungen, dem Verbot von Leiharbeit, Zwangsteilzeit, prekärer Beschäftigung etc. und erst recht nicht mit dem Verbot jeder Entlassung.

Dasselbe Bild: Wir erleben, dass die Große Koalition unter den von der Europäischen Union festgelegten Bedingungen die »flexibelsten Lieferklauseln« einhält, die es den multinationalen Pharmakonzernen erlauben, zu liefern oder nicht zu liefern, Fristen und Mengen einzuhalten oder nicht einzuhalten, zwischen den Staaten aufzuteilen, je nachdem, wie sie die »Gebote« untereinander erhöht haben, und danach entscheiden, welche erwarteten Profite sie einfahren können… Und all dies, nachdem sie Milliarden von Euro an öffentlichen Geldern von der Europäischen Union erhalten haben, um ihre Forschung zu finanzieren!

Die Frage, ob die Regierung der Großen Koalition (oder jede beliebige Regierung in der EU) anders hätte handeln können, stellt sich nicht. Sie ist dem politischen Willen der US-Regierung – die schon im März 2020 Gelder für die Konzerne bereitstellte, die an die Bedingung »America First« gebunden waren, unterworfen. So, wie sie den Interessen der Multis, der Banken, des internationalen Finanzkapitals unterworfen ist. Und jetzt soll die arbeitende Bevölkerung zahlen?

Die, die geimpft werden wollen, können nicht geimpft werden, weil keine Impfdosen vorhanden sind. Test werden angekündigt, liegen aber nicht vor und das Fachpersonal, das die Test durchführen soll, ohnehin nicht.

Es ist eine Überlebensfrage: Die SPD in der Großen Koalition ist nicht bereit, mit diesem System zu brechen, das das Leben von Millionen den Profitansprüchen der multinationalen Konzerne unterwirft. Wirtschaftswissenschaftler der Universität Wuppertal haben berechnet, dass der Kurs der EU-Kommission gegenüber den Pharmakonzernen, der gegenüber Großbritannien zu einer Verzögerung des Impfstarts von 90 Tagen geführt hat, täglich 300 Menschenleben gekostet hat: 27.000 vermeidbare Tode.

Haben wir also nicht Recht, wenn wir sagen: „Impfstoffe für alle, die geimpft werden wollen, verlangt die Beschlagnahme der Patente, die Sozialisierung der Produktionsmittel und kostenlose Impfstoffe in ausreichender Menge!“?

Es ist eine Frage des Überlebens. Wenn das bedeutet, mit dieser gescheiterten Große Koalition zu brechen, gibt es keinen Grund zu zögern.

Die Große Koalition wird nicht müde zu betonen, dass es »am Geld nicht scheitern« werde.

Die gleichen »Rettungsprogramme«, die seit dem 23.3.2020 im Bundestag »aufgelegt« worden sind, wurden in den meisten der großen kapitalistischen Länder verabschiedet. Noch nie in der Geschichte des kapitalistischen Systems hat die ausbeuterische Minderheit so schnell so viel Reichtum in ihren Händen angehäuft: In einer einzigen Woche Ende August haben die 500 reichsten Milliardäre der Welt ihr Einkommen um 209 Milliarden Dollar gesteigert (Agentur Bloomberg, 29. August 2020)!

Warum nicht die 1,2 Billionen, die der Bundestag am 25.3.2020 bereitgestellt hat, verwenden, um die arbeitende Bevölkerung zu retten?

Die Regierungen nennen es »Rettungsschirm« oder »Konjunkturprogramm«, weil es um die Wiederbelebung ihrer Wirtschaft geht. Ihre Wirtschaft basiert auf der Ausbeutung der Arbeitskraft, sie basiert auf der Realisierung von Profit. Jede Produktion, auch wenn sie für die Gesellschaft erforderlich ist, wird als nutzlos bewertet, wenn sie nicht genug Profit abwirft (der die Kapitalisten bereichert). Deshalb der Hinweis von C. Lagarde auf „die natürliche Auswahl der Unternehmen“, an die die Banken Kredite vergeben, die die EZB absichert. Deshalb erleben wir derzeit in Deutschland und weltweit eine massive Vernichtung von Werten, Produktionsmitteln, Fabriken, Maschinen und Arbeitsplätzen und damit von Arbeitskräften. Offiziell ist von hunderten Millionen zusätzlicher Arbeitsloser weltweit die Rede.

1,2 Billionen Euro! Folgen wir den Vertretern der Großen Koalition und den Unternehmern sollten wir bitte unterscheiden: Es gäbe schließlich Kurzarbeitergeld, einmalig 150 Euro für Hartz IV Bezieherinnen und Bezieher und andererseits staatlich garantierte Kredite, Subventionen für Unternehmen, Befreiungen von »Sozialabgaben« und Steuern für die Unternehmer…

Auf solche Erklärungen, deren Ziel es ist Verwirrung zu stiften, müssen wir Regierung und Kapital antworten: Denn sie können es drehen und wenden wie sie wollen, die Wahrheit bleibt, dass die Abermilliarden dazu dienen, diese Wirtschaft profitabel zu machen und zu »bereinigen«, d.h. unzählige kleine Gewerbetreibende, Kulturschaffende etc. in den Ruin zu treiben. Am 25.3.2020 verabschiedete der Bundestag einstimmig – rd. 30 Abgeordnete der Partei »Die Linke« haben nicht an der Abstimmung teilgenommen – den bis zu 1,2 Billionen Euro umfassenden »Rettungsschirm«. Am 25.5.2020, zwei Monate später, erhielt die Lufthansa 9 Milliarden Euro. Der Staat hält seitdem 20% der Anteile am Konzern – als »stille Teilhabe«, genehmigt von der EU. Jetzt 30.000 Entlassungen bei der Lufthansa, davon 20.000 im Ausland, 10.000 in Deutschland. Noch Mitte 2019 sollten es »nur« 22.000 Stellen sein. Der Konzern stellt aber auch jetzt schon klar, dass von den 138.000 Stellen nur 100.000 bleiben sollen. Der »Rettungsschirm« entpuppte sich als ein Programm zur Zerstörung der Arbeitsplätze auf breiter Front. Die Milliarden fließen, ohne jegliche Auflage zum Erhalt aller Arbeitsplätze. Sollen wir weitere Beispiele nennen?

Und die Milliarden fließen ohne Schutz der Beschäftigten: Hartz IV Empfänger müssen COVID-bedingt doppelt so oft im Krankenhaus behandelt werden, wie Erwerbstätige. Armut macht krank! Die Berufe der Infizierten werden in Deutschland nicht erfasst. Aber aus britischen Studien wissen wir, dass Beschäftigte im Gesundheits-, Sozial- und Erziehungswesen, im Transport und der Lebensmittelherstellung überproportional erkrankt sind. D.h. auch: überdurchschnittlich viele Frauen und Migrantinnen und Migranten, die in diesen Sektoren arbeiten, sind betroffen, bedroht und gestorben.

Gleichzeitig stoßen sie die Werktätigen und ihre Familien jeden Tag tiefer und tiefer. Sie verlangen Masken für die Kinder in den Schulen, sie verordnen Langzeit-Kurzarbeit mit den damit verbundenen Lohneinbußen – bei denen, die in 450 Euro-Jobs arbeiten, gibt es kein KuG! – und sie selbst fördern Pläne für Hunderttausende von Entlassungen. Die Bedrohung derjenigen, die Kurzarbeitergeld (KuG) erhalten ist real: Sie haben noch ihre Arbeitsplätze, zwar mit z.T. erheblichen Lohneinbußen – je höher, desto geringer der tarifvertragliche Schutz – aber ihre Perspektive nach Auslaufen des KuG ist völlig unklar. Und sie hören sehr klar, wenn von »Zombie-Unternehmen« die Rede ist, die es nicht Wert seien, erhalten zu werden oder wenn Frau Lagarde „die natürliche Auswahl der Unternehmen“ durch die Banken ankündigt.

Die Demokratie und der De-facto Burgfrieden

Die Abstimmung vom 25.3.2020 ist unter dem Gesichtspunkt der Demokratie – also dem Recht der Mehrheit – ein Skandal: Bedient wurde die Minderheit der Konzerne. Diese Abstimmung besiegelte einen neuen De-facto Burgfrieden im Namen der »Wiederbelebung der Wirtschaft«, die nur auf die Wiederbelebung des Profits abzielt.

Ebenso ist es unter dem Aspekt der Demokratie ein Skandal, wenn seit nahezu einem Jahr auf Basis von Verordnungen, die die »Corona-Gipfel der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten« beschließen, ohne Parlament regiert wird.

Wir treten ein für Arbeiterpolitik und Arbeiterpartei, weil wir davon überzeugt sind, dass es die erste Pflicht der Gesellschaft ist, jedem ihrer Mitglieder zu ermöglichen, in Würde von seiner Arbeit zu leben. Dazu muss es Arbeitsplätze geben. Dafür muss der von den Werktätigen geschaffene gesellschaftliche Reichtum den Werktätigen dienen. Wir brauchen dafür im ersten Schritt nicht einen Plan zur Wiederbelebung des Profits, sondern einen Plan zur Reorganisation und zum Wiederaufbau der Gesellschaft, um das Recht auf Leben der großen Mehrheit zu garantieren. Ein Plan, der den Werktätigen, einschließlich der prekärsten Schichten (Jugendliche, Migranten, alleinerziehende Mütter usw.), ein Leben in Würde ermöglicht.

Dafür müssen die 1,2 Billionen beschlagnahmt und für Beschäftigung und das Verbot jeder Entlassung mobilisiert werden. Wiederholen wir es: Das ist der Ausgangspunkt für jeden Umbau der Gesellschaft auf demokratischer Basis, das heißt im Interesse der Mehrheit.

Der Bedarf an Schulen, Universitäten, Krankenhäusern, öffentlichen Diensten…

Wichtige Errungenschaften unserer Gesellschaft sind die öffentlichen Dienstleistungen, die Daseinsvorsorge, vor allem Wasser- und Energieversorgung, die Verkehrsbetriebe und die Infrastruktur von ÖPNV und Fernverkehr, die Einrichtung für Kinder, die Jugend und Ältere, für Bildung, Kultur, für die Freizeit und Sport. All dies soll allen in der Gesellschaft zugänglich sein, kostenfrei oder bezahlbar. Seit 30 Jahren nimmt der »Investitionsstau« im öffentlichen Dienst infolge der Spardiktate Haushalt auf Haushalt zu. 160 Milliarden sind allein für die Kommunen für den Erhalt und Unterhalt der Infrastruktur (Brücken, Gebäude etc.) erforderlich. Mindestens 300.000 Beschäftigte fehlen. Nach Einschätzung des IMK der Hans Böckler Stiftung sind in den kommenden 10 Jahren Investitionen, 15 Milliarden für den Wohnungsbau, 20 Milliarden für den Ausbau des ÖPNV, 60 Milliarden für den Bahnverkehr, rd. 60 Milliarden für Hochschule, Forschung und Ganztagsschule oder 50 Milliarden für die frühkindliche Bildung, erforderlich. Daraus lässt sich ableiten, welche Arbeitsplätze allein für den Bau der Gebäudeinfrastruktur erforderlich sind, für den Bau von Bussen, Bahnen, Zügen und Waggons, für die Bereitstellung der Energieversorgung…

Seit 2013 sind rd. 162.000 fehlende Stellen in den Krankenhäusern in Deutschland von ver.di identifiziert worden. Weitere rund 100.000 Stellen fehlen in der Altenpflege. Im Öffentlichen Gesundheitsdienst, zu dem die Gesundheitsämter der Kommunen zählen, schätzt der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), dass mehr als 10.000 neue Stellen erforderlich sind und die Bezahlung der Ärzte an die Tarifverträge der Krankenhäuser angeglichen werden müsse. Der Bedarf von Krankenhäusern, Altenheimen und Gesundheitsämtern resultiert direkt aus dem jahrelangen Stellenabbau.

Wer könnte es ernsthaft wagen zu sagen, dass wir nicht bestehende Arbeitsplätze erhalten und neue schaffen können und müssen?

Blicken wir auf die Schulen: Im Jahr 2019/2020 befanden sich fast 11 Millionen Schülerinnen und Schüler in allgemeinbildenden Schulen. Sie werden jetzt zurück an die Schulbank geschickt, ihre Lehrerinnen und Lehrer ebenso, ohne dass zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen, um den Investitionsrückstau an Schulen überhaupt in Angriff genommen zu haben, und ohne dass Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet und eingestellt werden, um die Klassen zu verkleinern und um ihnen das Aufholen des im »Homeschooling« Versäumten zu ermöglichen. Es wurden auch keine Maßnahmen ergriffen, um Schülern mit Behinderungen zu helfen, für die Tausende von Familien zu Beginn des neuen Schuljahres auf einen Platz in einer angepassten Einrichtung oder Struktur warten. Um diesen Bedarf zu decken, müssten Zehntausende von zusätzlichen Lehrern eingestellt werden.

Nicht anders sieht es an den Hochschulen aus. Bildung und Forschung werden ausgetrocknet und sind – wie die Befristungspraxis zeigt – von einer massiven Deregulierungspolitik betroffen, die dem Stellenabbau und den Spardiktaten Rechnung trägt.

Was ist mit der Forschung? Sollten zur Bekämpfung des Coronavirus nicht die notwendigen Mittel für die Einstellung von Forschern und für die Grundlagenforschung bereitgestellt werden, um die Entwicklung von Impfstoffen und die Sicherstellung einer wirksamen Behandlung zu beschleunigen? Und was ist mit den Tests? März 2020 stand ganz im Zeichen des Skandals um nicht vorhandene Masken. Heute erleben wir den Skandal um die Tests, fehlende Impfdosen und gleichzeitig ermitteln Staatsanwaltschaften gegen Bundestagsabgeordnete, die sich an verschiedenen »Deals« zur Beschaffung von Materialien massiv bereichert haben, während die Kellnerin und der Koch auf der Straße stehen, weil Kantinen, Restaurants geschlossen sind, Kulturschaffende auf die Grundsicherung zurückgreifen müssen, weil sie keine Engagements in geschlossenen Theatern usw. haben können…

Wäre nicht ein nationales oder internationales Netzwerk von Laboratorien notwendig, um unter der Kontrolle der Staaten ein systematisches Testen zu ermöglichen?

Die Demokratie wurde durch Privatisierungen bis hinunter zu den Gemeinden untergraben, so dass der Staat nicht mehr über Einrichtungen und Instrumente verfügt, um soziale und ökologische Ziele im Interesse der gesellschaftlichen Mehrheit umzusetzen.

Und in den Krankenhäusern?. Allein im Jahr 2020 wurden über 20 Kliniken geschlossen – während der Pandemie, weil sei nicht rentabel genug waren. Ziel der Wirtschaftlichkeit im gesellschaftlichen Interesse ist nicht eine hohe Kapitalrendite, sondern Bedarfsdeckung zu möglichst geringen Kosten bei gleichzeitiger tarifvertraglich garantierter Bezahlung derer, die die Leistungen erbringen. Es muss Schluss sein, mit dem Personalabbau. Statt dessen muss die Beschäftigung in öffentlichen und sozialen Dienstleistungen und im Bildungswesen bedarfsgerecht ausgebaut werden. Personalaufbau statt -abbau in öffentlichen Einrichtungen.

Im Land wachsen Angst und Wut angesichts der drohenden Pandemiewelle, gegen die keine Vorkehrung getroffen wurde.

Der Bedarf an Schulen, Universitäten, Krankenhäusern, öffentlichen Diensten, Verkehrsmitteln etc. ist unbestreitbar und unübersehbar: Um diesen Bedarf zu befriedigen, ist die Entwicklung des Baugewerbes und der Einstellungen an Schulen, Universitäten, Krankenhäusern etc. unverzichtbar, ebenso wie die Entwicklung der Produktionskapazitäten unabdingbar ist, die für deren Umsetzung erforderlich ist.

Wir fügen hinzu, dass die Sicherung von Arbeitsplätzen und damit von Löhnen durch das Verbot jeder Entlassung und die volle Lohnfortzahlung die Wiederaufnahme des Konsums und damit die Aufrechterhaltung von Arbeitsplätzen in allen Bereichen der Produktion, bei Konsumgütern, im Vertrieb, im Handel … bedeutet.

Bruch mit der Großen Koalition

Wir wenden uns an alle Mitglieder der SPD, die ihre Partei als Arbeitnehmerpartei verstehen wollen, an die Mitglieder der Partei »Die Linke« und an die Gewerkschaftsmitglieder: Die Situation verlangt den Bruch mit der Großen Koalition, ein Ende des De-facto Burgfriedens.

Wir nehmen uns das Recht zu erklären, dass die Mobilisierung der bewilligten Abermilliarden für die Erhaltung und Schaffung der notwendigen Arbeitsplätze die effektive Entwicklung einer Wirtschaft ermöglichen würde, die nicht auf dem Streben nach Profit, sondern auf der Befriedigung der Grundbedürfnisse der Mehrheit, der arbeitenden Bevölkerung und Jugend beruht.

Das erfordert Planung, nicht der Art Pläne, die die »Corona-Gipfel der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten« beschließen, und die von Teilen aus SPD und »Die Linke« im Parlament – wenn auch mit »Kritik« – begleitet werden.

Der notwendige Plan, verlangt die entschädigungslose Verstaatlichung oder den Aufkauf einer ganzen Reihe von Industriesektoren, die Konfiszierung der 1,2 Billionen Euro, die Verstaatlichung der Banken und die Zentralisierung einer einzigen Bank, die ausschließlich im Dienst des Wiederaufbaus und der Reorganisation einer Wirtschaft im Dienste der Bevölkerung steht, sowie die Renationalisierung und Rekommunalisierung der öffentlichen Dienste.

Vom Standpunkt der Werktätigen und der Demokratie braucht das Land nicht die Wiederbelebung der alten spekulativen und parasitären kapitalistischen Wirtschaft, sondern den Bruch mit diesem System, den Wiederaufbau einer Wirtschaft im Dienste der Bevölkerung, die Reorganisation der Gesellschaft zur Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse. Um diese drei Kernpunkte geht es.

Dazu ist es dringend notwendig, mit der Kontinuität der »geistig moralischen Wende« von Kohl vor fast vierzig Jahren zu brechen, mit der Agendapolitik Schröders und deren forcierte Fortsetzung der Merkel-Regierungen. Bruch mit einer Politik der Privatisierung, der Zerstörung der öffentlichen Dienste, der Deregulierung und der arbeiter-, gewerkschaftsfeindlichen und antisozial »Reformen« – wobei die verschiedenen Regierungen immer bemüht waren, die Spitzen der Gewerkschaftsorganisationen mit einzubeziehen.

Es ist Sache der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend, die Form und den Inhalt der politischen Macht in ihrem Interesse zu definieren

Für uns wird das Ergebnis der Kommunal-, Landtagswahlen und der Bundestagswahl in diesem Jahr nur bedingt ausschlaggebend sein. Es ist Sache der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend – also der überwiegenden Mehrheit – für sich festzulegen, wie die Form und der Inhalt der politischen Macht aussehen sollen.

Es besteht kein Zweifel, dass die in den kommenden Wochen – wie immer – Kolleginnen und Kollegen, Betriebsräte, Gewerkschaftsmitglieder etc. zum Handeln und zu Erklärungen gebeten werden. Ebenso besteht kein Zweifel, dass ihre Erklärungen den Rahmen der bestehenden Ordnung, die vom System des Privateigentums an den Produktionsmitteln bestimmt ist, nicht überschreiten sollen.

Wir bekräftigen, dass dennoch in dieser Situation eine breite Einigkeit über das Verbot von Entlassungen und die Forderung nach vollem Lohn bei Kurzarbeit erzielt werden kann

Wir sind sicher, dass das der Ausgangspunkt für jede Politik sein kann, die mit den kapitalistischen Interessen bricht und den Bedürfnissen der großen Mehrheit entspricht.

Diese breite Einigkeit über das Verbot von Kündigungen kann und muss erzielt werden.

Um in diese Richtung zu gehen, schlagen wir vor, dass Kolleginnen und Kollegen, Genossinnen und Genossen diese Forderung und die Notizen diskutieren.

Wir laden die Kolleginnen und Kollegen, Genossinnen und Genossen und Jugendlichen ein, in dieser außerordentlich schwierigen Situation an diesen Diskussionen teilzunehmen.

Dafür laden wir zu regelmäßigen Video-Sitzungen ein. Lasst uns gemeinsam diese Sitzungen nutzen, um die Frage zu beantworten: Welche Umgestaltung dieses Landes, welche Reorganisation der Gesellschaft und der Produktion wird endlich den Bedürfnissen der Mehrheit entsprechen und nicht den Forderungen des kapitalistischen Profits?

Nicht jede unserer Notizen muss man für die Teilnahme an diesen Videositzungen vollständig teilen.

Aber verdeutlichen sie nicht, dass es unabdingbar ist, jetzt die Initiative für Arbeiterpolitik und Arbeiterpartei voranzutreiben?

Für ein Komitee für eine Arbeiterpartei!

Ich unterzeichne!

                                                               (im eigenen Namen!)

Name, Vorname  Mitglied Partei/Gewerkschaft eMail-Adresse
     

Erstunterzeichner/innen (alle im eigenen Namen, Angaben zur Organisation dienen nur der Information):

Andreas Gangl, ver.di Vertrauensleutesprecher, Mitglied der Streikleitung; Anna Schuster, ver.di Vertrauensfrau; Claudius Naumann, ver.di / Mitglied Internationalistische Sozialistische Gruppe – ISG (IV. Internationale OK); Dietmar Schwalm, ver.di, Die Linke; Gudrun Huber; Heinrich Huber; Holger Pfeiffer, ver.di Vertrauensmann; Hüseyin Aydin, Gewerkschaftssekretär / ehem. Mitglied des Bundestages; H.-W. Schuster, ver.di Vertrauensmann / Mitglied ISG (IV. Internationale OK); Jupp Plur, Mitglied GEW / SPD AfA; Kamal Ketar, IG Metall Mitglied; Karsten Schuster, ver.di Mitglied; Klaus Schüller, Mitglied EVG / SPD AfA / Internationales Komitee gegen Krieg und Ausbeutung, für die Arbeiterinternationale; Lukas Schmolzi, ver.di Vertrauensmann; Norbert Müller, ver.di / SPD AfA / Freie Plattform für Arbeiterpolitik; Peter Hintermeier, Vors. DGB KV Sömmerda / IG Metall; Peter Kreutler, stv. Vors. AfA Düsseldorf / ver.di Vertrauensmann; Peter Saalmüller, SPD / ver.di; Wolfgang Grabowski, ver.di, ehem. BR;

bitte zurück an H.-W. Schuster: info@komitee-fuer-eine-arbeiterpartei.org

Notizen als PDF


[1] wenn in den Notizen die Rede von Arbeiterpolitik, Arbeiterpartei usw. ist, sind mit »Arbeiter« selbstverständlich immer auch die arbeitenden Frauen gemeint. Ebenso die älteren Arbeiterinnen und Arbeiter, die eine Rente beziehen. »Arbeiter« sind nach unserem Verständnis alle abhängig Beschäftigten, also Arbeiter, Angestellte, Beamte, Solo- und Scheinselbständige etc., die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen – unabhängig davon, welcher hierarchisch, sozialen Kategorie sie zugeordnet werden.

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